Antragsstellerin: Cora Anuth
Spätestens seit den vergangenen Landtagswahlen in Bayern und Hessen 2023 ist deutlich
geworden, dass die zentralen Errungenschaften unserer westlichen Gesellschaft in
Deutschland zunehmend an Zuspruch und Bedeutung verlieren. Freiheit sowie Demokratie
auf der einen Seite und gleichermaßen auch Leistungsprinzipien und
Chancengerechtigkeit weichen vermehrt populistischen, rechten Sachverhalten und
Versprechen.
Besonders bei jungen Erwachsenen scheinen gerade solche Inhalte zunehmend Anklang zu
finden. In Bayern lag der Wähleranteil für die AfD der 18-24 Jährigen bei 16%.
Gleichermaßen hohe Zunahmen zeigten sich bei 25-34 Jährigen mit 18%. Im gleichen Zug
haben gerade bei diesen Zielgruppen alle demokratischen Volksparteien hohe Verluste
verzeichnen müssen.
Mögliche Erklärungsansätze häufen sich und das Problem stellt sich als deutlich
komplexer heraus, wenn man einmal Faktoren jenseits des professionellen Social Media-
Auftritts der Afd oder dem Phänomen der Protestwähler in den Blick nimmt.
Verschiedene aktuelle Studien zeigen deutlich, dass die Folgen der Corona-Pandemie
gerade bei jungen Menschen zu nachhaltigen Gefühlen der Ungerechtigkeit,
Zukunftsangst und des Kontrollverlusts geführt haben. Den nachfolgenden Krisen kann
man vermutlich nur diesbezüglich verstärkende Dynamiken attestieren. Immer häufiger
werden Werte der Freiheit, Leistungsgerechtigkeit, Chancengleichheit wie der
individuellen Verantwortung für sich und seine Gesellschaft durch die Suche nach
Erklär-, Beeinfluss- und Vorhersehbarkeit konfrontiert – vermehrt ausgetauscht und
von populistischen Parteien profitabel genutzt.
Das Bundesprogramm „Demokratie leben“ oder auch das Wertebündnis Bayern steht
beispielhaft dafür, dass schon lange erkannt wurde, dass demokratische sowie
freiheitliche Werte immer wieder in das aktuelle Bewusstsein gerufen werden müssen
und in der Jugendarbeit eine wesentliche Demokratiequelle liegt. Zudem herrscht in
kaum einem anderen Land wie Deutschland eine derart große Diskrepanz zwischen hohem
politischem Wissen und verspürter Machtlosigkeit vor. Ein ausbleibender nachhaltiger
Erfolg solcher Initiativen scheint nicht in den Grundmotiven, sondern der Umsetzung
einer Vermittlung demokratischer Werte an junge Generationen zu liegen.
Die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen zeigen, dass es Zeit geworden ist,
über die bloße Auseinandersetzung mit Demokratie und Freiheit hinauszugehen – nicht
zu warten und zu beobachten. Vielmehr drängt sich die Notwendigkeit auf, schon in der
Konzeption von Vermittlungswegen an den aktuellen Bedürfnissen junger Erwachsener,
Jugendlicher und Kinder anzusetzen und aufzuzeigen, wie demokratische Werte als
direkte Lösungen für berechtigte Ängste, Krisenzustände und Belastungszustände wirken
können. Es ist Zeit für ein Demokratie-Update, welches folgende Forderungen umfasst:
- Verstärkte und effektive Verankerung demokratischer und freiheitlicher Werte in
relevanten Grundstrukturen: Sowohl in der frühkindlichen als auch schulischen
Bildung müssen die zentralen Errungenschaften und Charakteristika der Demokratie
in den Fokus gerückt werden. Eine notwendige qualitative und inhaltliche
Aufwertung des Politikunterrichts an weiterführenden Schulen sowie die
Einführung eines altersgerechten, vom Sachunterricht unabhängigen
Politikunterrichts an Grundschulen können die Entwicklung relevanter
demokratieoffener Werteorientierungen und politischer Vorstellungskraft in der
- primären Lern- und Entwicklungsphase des Menschen fördern. Zusätzlich wollen wir
Lehrkräften verstärkt die Möglichkeit eröffnen auch außerschulische
Bildungsangebote, wie bspw. Planspiele und Ausflüge zu Parlamenten und
Gedenkstätten, in den Unterricht mit einzubauen. Soweit sinnvoll möglich, sollen
diese auch in die Notengebung einfließen können.
- Stärkere Gewichtung von Demokratie, politischer Bildung, Medienkompetenzen und
Inklusion im Lehramtsstudium und kinder-/jugendspezifischen Ausbildungsberufen. - Finanzielle Investition in Jugend- und Erinnerungsarbeit: Dies umfasst zum einen
die finanzielle Unterstützung von Schulen zur Umsetzung demokratieorientierter
Beteiligungsformate und fachübergreifender Weiterbildung von Lehrkräften. Zum
anderen die verstärkte Investition in Lehrmaterialien, Jugendorganisationen und
demokratievermittelnde Modellprojekte. - Enge Zusammenarbeit zwischen Politik (Bundes-, Landes- sowie Kommunalebene) und
Experten (Psychologen, Soziologen, Pädagogen, Jugendtherapeuten,
Politikwissenschaftler und Jugendforscher) in der Entwicklung und Ausarbeitung
spezifischer Konzepte – basierend auf den derzeitigen Bedürfnissen und Unmet
Needs junger Generationen – zur Vermittlung demokratischer und freiheitlicher
Werte an junge Erwachsene, Jugendliche und Kinder im Rahmen eines
Expertengremiums.