1818! 1918! 2018? – Der nächste Liberale Schritt für Bayern!

Beschlossen: 10.06.2018
Antragsteller: Bezirksvorstand Junge Liberale Oberbayern
Gültigkeit: 5 Jahre

Präambel

1818 wurde mit der Verfassung des Königreichs Bayern die erste bayrische Verfassung erlassen. Ein wichtiger Schritt für die Rechte der Bürger Bayerns.

1918 wurde der Bayrische Freistaat ausgerufen – also die erste Republik in Deutschland. Ab sofort sollte das Volk der Souverän sein.

Und 2018? Die Partei mit der absoluten Mehrheit im Land droht mit einer „konservativen Revolution“. Wenn man in Gerichtsverfahren rechtsstaatliche Mittel ausschöpft gehört man zu „Anti-Abschiebe-Industrie“. Der Sicherheit, oder mehr noch, dem Sicherheitsgefühl wird alles andere untergeordnet. Die Polizei bekommt so viel Befugnisse wie seit den Zeiten des NS-Regimes nicht mehr. Statt an der Zukunft von Land, Bund und Europa zu arbeiten, werden Nägel gesucht, um Kreuze an die Wand zu hämmern. Auf Bundes- und Landesebene arbeitet man daran dem Bürger das richtige Heimatgefühl beizubringen.

Dabei ist doch für jeden echten Bayern klar: Unsere Tradition, das ist der Fortschritt; unsere Heimat, das ist die Wandlungsfähigkeit.

Bayern hat und musste sich immer wieder neu erfinden. Prägend für das heutige Bayern sind diejenigen, die an die Zukunft dachten, und nicht nur am Alten festhielten.

In Nürnberg soll 1492 der moderne Globus erfunden worden sein. In der heutigen bayrischen Stadt Augsburg wird jedes Jahr am 08. August dem Religionsfrieden gedacht. Ein erster wichtiger Schritt in Richtung Religionsfreiheit. Die zukunftsweisende Planung Königs Ludwig I. verdanken wir heute noch weltweit anerkannte Institutionen für Wissenschaft und Kunst. Die erste Eisenbahn Deutschlands rollte auf bayrischen Schienen in Franken zwischen Nürnberg und Fürth. Wilhelm Conrad Röntgen legte den Grundstein der Radiologie in Würzburg. Und auch Adi Dassler ist mit seiner Erfindung des Stollen-Schuhes ein Beispiel bayrischer Innovation; einfach, aber auch einfach gut.

Trotz dieser Bayrischen Wandlungsfähigkeit und Innovationskraft müssen wir heute wieder um Dinge streiten, die selbstverständlich sein sollten.

Auf der einen Seite ist doch seit John Locke für uns Liberale klar, dass ein Staat nicht nur Sicherheit für seine Bürger bringen muss, sondern auch die Freiheiten dieser wahren muss. Ein Staat der den Bürgern ihre Freiheit nimmt, delegitimiert sich selbst. Die Freiheit darf auch nicht der Sicherheit geopfert werden. Es muss immer ein Ausgleich gesucht werden.

Zum anderen gibt es politische Kräfte die einen Regelungswut an den Tag legen, als wäre Kant nie einer der wichtigste deutschen Denker gewesen. Der Mensch kann nur sich selbst aufklären. Alles zu regeln und vorgeben zu wollen, nur weil man es selbst für wichtig und richtig hält, hält die Menschen nur faul und unaufgeklärt. Wir müssen viel mehr dafür sorgen, dass selbstbestimmte Menschen ihre Verantwortung erkennen und ernstnehmen. Für uns ist nämlich auch klar: Mit großer Freiheit geht große Verantwortung einher.

Zum Dritten erkennen wir die Rawlsschen Gerechtigkeitsprinzipien an. Gerecht ist nicht, wie wirtschaftlich gleich alle gemacht werden, sondern wie gerecht eine Gesellschaft ist, zeigt sich daran wie man mit den sozial-schwächsten umgeht, wie gut es denen geht. Und an einer fairen Chancengleichheit. Und ja: Es gibt hier noch etwas zu tun. In Bayern muss z.B. im Bereich der Bildungsgerechtigkeit aufgeholt werden.

Wir finden: Das Jubiläumsjahr 2018 sollte nicht untätig vertan werden. Wir fordern, dass nach der Landtagswahl eine Verfassungskommission, bestehend aus Vertretern von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, zu gründen ist, mit dem Ziel eine neue Verfassung für den Freistaat Bayern bis 2021 vorzulegen. Dann wird unsere jetzige Verfassung 75 Jahre alt – ein gutes Alter um in den Ruhestand zu dürfen. Lasst uns Bayern mit einer modernen Verfassung wieder zu einem positiven Vorbild machen!

  1. Neue Bayrische Verfassung

Wir stehen zur unserer aktuellen Verfassung. Vieles lässt sich aus dem historischen Kontext heraus erklären. Es war wichtig erstmal wieder demokratische Strukturen aufzubauen, so auch im Gedanken der Verfassungsväter. Und wir können auch auf spezielle Bayrische Elemente, wie die Popularklage und eine starke Volksgesetzgebung stolz sein.

Dennoch steht für uns fest: In einer nach-grundgesetzlichen Verfassung gehören die Grund- und Bürgerrechte nach ganz vorne. Der individuelle Mensch muss im Zentrum staatlichen Denkens stehen. Das muss sich auch in der Verfassung ausdrücken. Auch hier muss bewahrt werden, was bayrisch speziell und gut ist, wie etwa das Recht auf Genuss der Natur. Anderes muss unserer Ansicht nach überarbeitet werden, z.B. gehört Eigentum in erster Linie geschützt und nicht nur sozialisiert.

Die Grund- und Bürgerrechte brauchen dabei allerdings auch ein „Update“ für das Digitale-Umfeld. Der Verfassungsgeber und nicht erst die Gerichte sollten hier wieder die Freiheitsrechte ausgestalten. Ein Recht auf Vergessen-werden? Ein Recht auf Anonymität? Ein Informationsrecht über welche Daten gesammelt wurden? Lasst uns das in einer politischen Debatte und nicht in Gerichtssälen klären.

Wir sind ebenfalls davon überzeugt, dass ein Staat im 21. Jahrhundert keinen Gott in der Präambel braucht, um eine Werte getragene Verfassung zu sein. Wir fordern daher, dass eine neue Bayrische Verfassung ohne Gottesbezug auskommen muss und das bestimmte Religionsgemeinschaften keinen verfassungsrechtlichen Sonderstatus bekommen dürfen.

Wir fordern bei der Verfassungsmodernisierung auch das Wahlrecht anzupassen. Das Wahlrecht muss aktiv wie passiv schon mit 16 gegeben sein. Überprüft werden müssen auch daten- und fälschungssichere Möglichkeiten der E-Democracy.

Ebenso muss die Gewaltenteilung auch gelebt werden. Wir fordern einen Richterwahlausschuss anstatt des Einstellungsverfahrens durch das Justizministerium.

  1. Moderne Verfassung für ein modernes Bayern

Eine neue Verfassung alleine reicht uns nicht! Wir möchten den bayrischen Staat als Ganzes modernisieren.

Staatliche Strukturen müssen auf mögliche Doppelstrukturen mit Gemeinden, Landkreisen und Bezirken hin analysiert und ggf. abgebaut werden. Auch innerbayrisch muss der Subsidaritätsgrundsatz gelten. Generell müssen staatliche Strukturen ihrem Umfang nach überprüft werden.

Ein moderner Staat muss transparent sein. Wir brauchen daher bessere Transparenz Regelungen für den Landtag und die Staatsregierung, wie auch für alle anderen Ebenen staatlichen Handelns. Entscheidungsprozesse müssen dem Bürger klar verständlich und nachvollziehbar sein. Genauso braucht es, gerade bei modernen Kommunikationskanälen, eine klare und strikte Trennung zwischen staatlicher Information und parteipolitischer Werbung um Positionen.

Lasst uns das erste Bundesland mit papierlosen Behörden werden! Die Digitalisierung bietet ganz neue Chancen der administrativen Effizienz und Bearbeitungsdauern. Wir müssen hier ein führendes Land in Sachen E-Goverment werden. Dafür muss das Thema aber durch die Politik organisatorisch, rechtlich und technisch auch vorangetrieben werden. Selbstverständlich müssen alle Bürger dabei abgeholt werden und Behördengänge für Menschen die keine Digital Natives sind, müssen möglich bleiben.

Wenn immer mehr ins Digitale rutscht, muss der Staat daher auch die Datensicherheit stärker gewährleisten. Deshalb fordern wir ein bayrisches „Datensicherheits-Zentrum“. Das bestehende Cyber-Allianz Zentrum ist bei Weitem nicht ausreichend. Bei personellen Engpässen soll es möglich sein, auf die Unterstützung privater Dienstleister zurückzugreifenDas wäre wichtige Sicherheit für die Zukunft, keine Grenzpolizei, die man in den 90er schon begraben hatte!

  1. Bayrisches Vorbild auch im Bund

Statt das bayrische Polizeirecht bundesweit als Vorbild zu nutzen, sollte eine neue moderne Bayrische Verfassung Vorbild sein. Auch auf Bundesebene wird die Frage nach einer Verfassungsreform oder neuen Verfassung gerade durch die Frage der Europäischen Integration irgendwann kommen müssen. Das Bundesverfassungsgericht attestiert dem Grundgesetz eine große Europafreundlichkeit. Doch gerade beim Haushaltsrecht ist verfassungsrechtlich Schluss. Schon jetzt stoßen daher Reformideen an die Grenzen des Grundgesetzes. Wir Julis fordern als Ziel der Europäischen Integratio den Europäischen Bundesstaat. Dazu brauchen wir eine Deutsche Verfassung die bundesstaatsfähig ist. Doch sollte die Verfassungsgebung keine ad-hoc Sache sein, zu einem Zeitpunkt, wenn es eigentlich schon zu spät ist, sondern mit Zeit gut durchdacht sein. Lasst uns durch die Bayrische Verfas- 
sungsmodernisierung Auftaktgeber für Verfassungsdebatten in Deutschland und Europa sein!

 

Vor 100 Jahren waren wir in Bayern bei dem Aufbruch in eine neue Staatsordnung vorne mit dabei. Lasst uns das jetzt wieder sein!

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